Keine Frage: Spielleiter sein ist häufig erfüllend. Du kannst deinen Mitspielenden dabei helfen, die Geschichte ihrer Charaktere zu erzählen, deine eigenen Ideen anbringen und, wenn du wirklich ambitioniert bist, sogar deine eigene Welt erschaffen. Und dann fragt dich eine der Personen am Tisch plötzlich etwas, auf das du überhaupt nicht vorbereitet bist. Wenn du in diesen Situationen ins Stolpern gerätst: Keine Sorge, das ist normal. Und mit ein paar einfachen Tricks kannst du schnell viel besser darin werden, in unerwarteten Situationen zu improvisieren.
Das Abenteuer
Im Groben gibt es zwei Arten von Abenteuern, die du leiten kannst: Vorgefertigte und selbstgeschriebene.
Vorgefertigte Abenteuer kannst du entweder kaufen oder auf diversen Seiten herunterladen. Viele Verlage bieten kostenlose Einsteigerabenteuer für ihre Systeme an und in vielen Foren und Discordservern gibt es ganze Bereiche, in denen man die eigenen Abenteuer hochladen kann. Dazu gibt es noch andere Seiten, wo man Abenteuer kaufen kann und natürlich den guten alten Rollenspielladen, wo man diese als Bücher erstehen kann.
Solche Abenteuer umfassen eigentlich alles, was man zum Spielen braucht: Einen klaren Plothook (oder sogar mehrere), vorgefertigte NPCs, Gegner, Karten und alles, was dazu gehört. Das Improvisieren können sie einem natürlich trotzdem nicht abnehmen.
Du solltest das Abenteuer natürlich vorher gründlich lesen, um alles zu überblicken, was darin passieren wird. Viele solcher Abenteuer haben eine relativ klar vorgegebene Handlung, die auf die eine oder andere Weise passieren wird und deine Aufgabe als Spielleiter ist es, die Spielenden sanft in die „richtige“ Richtung zu lotsen. Dass sie sich dabei nicht gegängelt fühlen, ist eine Kunst für sich, aber auch dazu gibt es Tricks, zum Beispiel hier:
Dynamisches Storytelling – Wie du als Spielleiter Railroading (beinahe) vermeidest
Andere solcher Abenteuer sind weniger klar aufgebaut und sehen vor, dass die Spielenden ihren eigenen Weg finden. In solchen Büchern wirst du als Spielleiter dann häufig mit einer Masse an Informationen über Städte, NPCs, möglichen Abenteuern und so weiter erschlagen. Die gute Nachricht dabei ist allerdings, dass du diese Dinge nicht alle lesen und verinnerlichen musst. Es reicht hier häufig, dir einige Stichpunkte zu notieren und dich an diesen zu orientieren. Auch Lesezeichen können helfen, um Dinge schnell nachschlagen zu können. Und natürlich verlangt niemand von dir (außer vielleicht sehr unrealistische Spieler), dass du alle Informationen sofort parat hast. Im Zweifelsfall nimm dir ruhig die Zeit, etwas noch einmal nachzulesen.
Schwieriger wird es natürlich, wenn das Abenteuer solche Ressourcen nicht bietet oder du dein eigenes geschrieben hast.
Improvisation: Drei Vorschläge
Spielercharaktere sind unvorhersehbar. Manchmal tun sie eben Dinge, mit denen du nicht gerechnet hast oder wollen Dinge wissen, die du selbst nicht ausformuliert hast.
Ich als häufiger Spielleiter und Spieler kenne dabei drei Möglichkeiten, mit diesen Dingen umzugehen. Die gute Nachricht gleich zu Anfang: Keiner von ihnen ist sonderlich schwer und wenn du erst einmal den Weg gefunden hast, der für dich am besten funktioniert, ist Improvisation absolut kein Hexenwerk.
Die erste Möglichkeit ist es, die Spielenden für solche Informationen arbeiten zu lassen. Wenn eine Frage kommt, die du nicht sofort beantworten kannst, dann gibt es irgendein Hindernis, das sie zunächst einmal überwinden müssen. Ein NPC will der Gruppe nicht sagen, was genau er abseits seiner Arbeit als Hufschmied so tut, die logistische Organisation einer Gilde mitten im Nirgendwo ist ein Betriebsgeheimnis und wie genau Magie in deiner Welt funktioniert, ist nicht weiter erforscht – oder aber die Bücher darüber sind dermaßen kompliziert, dass sie kaum jemand versteht. Solche Hindernisse geben den Spielenden etwas, mit dem sie sich beschäftigen, ein Problem, das sie lösen können. Und sie geben dir Zeit, eine Antwort auf ihre Fragen zu formulieren, während sie idealerweise untereinander besprechen, wie sie dieses Problem angehen können.
Die zweite Möglichkeit nenne ich gerne „kollektives Brainstorming“. Anstatt die Frage selbst zu beantworten, ermutigst du die Spielenden, sich darüber Gedanken zu machen. Während sie diskutieren oder mutmaßen hörst du einfach nur zu oder gibst dezente Inputs im Sinne von „Ja, aber würde das nicht bedeuten…“ und lässt deine Spielenden überlegen. Mit guten Spielenden am Tisch ist diese Methode eine der effektivsten und macht auch am meisten Spaß. Allerdings solltest du sie nicht zu häufig einsetzen, um nicht den Eindruck zu vermitteln, du würdest alle Arbeit als Spielleiter auf deine Spielenden übertragen. Und sollten sie auf keine guten Ideen kommen, gibt dir das immer noch Zeit, um nachzudenken.
Die dritte Möglichkeit ist ein wenig fortgeschrittener, aber ich nutze sie sehr gerne und habe sie auch schon in diesem Artikel einmal angesprochen:
Mehr als nur Worte – Wie Du deine Spielwelt lebendig(er) werden lässt
Es geht darum, sich Gedanken über Dinge zu machen, die die Spielercharaktere vermutlich nie erfahren werden. Das hilft gleich in doppelter Hinsicht: Erstens ist es nie gesagt, dass die Spielenden sich niemals für diese Details interessieren werden und zweitens hilft es dabei, sich wirklich in die Welt und ihre Charaktere hinein zu fühlen. Dadurch kommt man mit der Zeit auf wesentlich organischere Antworten auf unvorhergesehene Fragen. Das erfordert ein wenig Übung, aber es ist die Mühe wert, nicht nur als Spielleiterin sondern auch als Spieler.
Diese Dinge müssen nichts großes, weltbewegendes sein. Schon scheinbar triviale Dinge machen den Charakter und die Welt deutlich lebendiger und damit wird es dir deutlich leichter fallen, passende Reaktionen und Antworten zu improvisieren.
Tabellen
Viele Artikel raten zu Tabellen und auch ich will das hier einmal kurz tun. Tabellen helfen dabei, weniger wichtige NPCs, Städte und Monster mit Leben zu füllen, indem sie kleinere Details vorgeben.
Mein Tipp an dich ist, vor dem Spieleabend einige NPCs und gegebenenfalls andere Dinge wie Städte oder Monster auszuwürfeln und sich bereit zu legen. So hast du immer sofort etwas parat, wenn die Spielenden beispielsweise den Hufschmied ein wenig ausquetschen wollen.
Unten in diesem Artikel werde ich einige Tabellen bereitstellen, die für verschiedene Zwecke genutzt werden können, aber natürlich kannst du dir im Internet andere suchen oder deine eigenen erstellen. Je mehr du diese Tabellen mit deinen eigenen Ideen anfüllst, desto leichter wird es dir fallen, auch mit ihnen zu spielen, wenn sie aufkommen.
Lernen vom Improvisationstheater
Improvisationstheater sind enorm witzig und spannend. Häufig funktionieren diese so, dass die Schauspieler sich vom Publikum Stichworte geben lassen und nach diesen eine Szene improvisieren. Häufig geben diese auch Workshops, denn auch Improvisation ist etwas, das man lernen kann.
Einige Tipps, die ich aus solchen Kursen mitgenommen habe und in meine Art zu improvisieren übernommen habe, sind folgende:
Erwarte nicht eine bestimmte Antwort, sondern spiele mit dem, was gesagt wird
Dieser Tipp hört sich vielleicht etwas flach an, aber es stimmt: Viele Leute reagieren auf das, was sie glauben, gehört zu haben (und häufig gehofft haben zu hören) anstatt auf das, was tatsächlich gesagt wurde. Höre deinen Spielenden also gut zu und versuche, auf das zu reagieren, was sie tatsächlich gesagt haben.
„Nein“ ist der Feind der Improvisation
Klar, manche Dinge sind einfach nicht möglich. Oder nicht okay. Wenn eine Person am Tisch sich mit etwas unwohl fühlt (das schließt auch dich als Spielleiter mit ein), dann sollte es nicht bespielt werden.
Abgesehen davon ist „nein“ immer die falsche Antwort. Gehe auf die Ideen deiner Spielenden ein, selbst wenn diese am Ende nicht funktionieren. Auch Scheitern kann ein Abenteuer sein und lässt den Triumph am Ende umso besser werden.
Im Zweifelsfall – mach einfach irgendetwas
Etwas ist besser als nichts. Auch wenn deine Idee, auf etwas unvorhergesehenes ein zu gehen vielleicht im Nachhinein nicht die Beste war, sie ist immer noch besser als nichts oder ein stumpfes „Nein“.
Traue dich, Fehler zu machen
Dieser Tipp deckt sich natürlich mit dem oberen, aber er ist vielleicht der wichtigste überhaupt. Niemand ist perfekt. Und das erwartet auch keiner. Du wirst Fehler machen, aber das musst du dich trauen, um besser zu werden. Es ist nur wichtig, dir klar zu machen, wo diese Fehler lagen und wie du sie in Zukunft vermeiden kannst.
Zum Schluss
Wie fast alles im Leben kann man Improvisation lernen. Am besten, indem man einfach loslegt. Wenn du dich am Anfang noch nicht so wohl damit fühlst, taste dich langsam mit Tabellen an einige zufällige Ereignisse heran, bis du dich bereit fühlst, vielleicht einmal ein ganzes Gespräch über eine Sache zu improvisieren, die du nicht genau vorbereitet hast. Setze dir für jeden Spieleabend ein neues Ziel und wachse langsam, aber sicher mit jeder Runde, die du leitest.
Und, was natürlich immer am wichtigsten ist: Hab Spaß dabei.