Keine Frage: Spielleiter sein

Wenn die Spielenden ihren Charakteren Hintergrundgeschichten geben, ist das immer eine tolle Sache. Es macht ihre Charaktere lebendiger, hilft dir dabei, sie zu verstehen und mit etwas Geschick kannst du den Plot deiner Spieleabende an diese Geschichten anpassen, um sie einzubringen. Dadurch machst du deine Welt lebendiger und bringst die Spielenden mehr ein.

Allerdings ist das nicht immer so einfach.

Einige Mitspielende schreiben nur das auf, was unbedingt notwendig ist, wenn überhaupt. Andere dagegen können ganze Romane damit füllen, wie ihr Charakter aufgewachsen ist und welche Erlebnisse ihn geprägt haben. Diese Charaktere sind deutlich leichter einzubringen, keine Frage, aber auch zu viel Information kann manchmal hinderlich sein. In diesem Fall kann es passieren, dass du den Überblick verlierst und wichtige Informationen vergisst. Wie kannst du also beide Arten von Hintergrundgeschichten – die eher kurzen und die eher etwas zu langen – gut in deinen Plot einbringen?

Zu wenig Information

Widmen wir uns zuerst dem einen Extrem: Der Charakter ist kaum beschrieben, hat also entweder keine Hintergrundgeschichte oder nur die allernötigsten Stichpunkte.

Mit so wenig Informationen ist es nicht einfach, diesen Charakter irgendwie in den Plot einzubringen. Andererseits kannst du diesen Mangel an Informationen auch als Chance sehen: Ein unbeschriebenes Blatt, das leicht mit Inhalt zu füllen ist. Dabei solltest du deine Ideen natürlich mit der Person absprechen, die diesen Charakter spielt. Manche Spielenden möchten einfach nur dabei sein und keinen großen Plot für ihren Charakter – und auch das ist vollkommen okay. Diese Leute musst du dabei nicht „zu ihrem Glück zwingen“; sie haben es schon gefunden.

Mein Tipp an dieser Stelle wäre es, diesen Charakteren erst einmal kleinere Plotpunkte zu präsentieren, die mit dem wenigen, was ihre Hintergrundgeschichte hergibt, zu tun hat. Wenn sie auf diese Plotpunkte eingehen, kannst du mit ihnen einmal unter vier Augen besprechen, ob sie sich in diese Richtung mehr wünschen und falls sie das tun, ein paar Ideen mit ihnen besprechen.

Ein paar Vorschläge:

  • Der Charakter kennt einen wichtigen NPC aus frühster Kindheit oder der eigenen Ausbildung, entweder als Mitschüler oder Lehrmeister. Wie hat der Charakter diesen NPC kennengelernt? Sind sie in Kontakt geblieben? Wenn nein, warum nicht? Wie würde der Charakter reagieren, wenn dieser NPC sich als Gegner für die Gruppe herausstellt?
  • Der Charakter besitzt einen wichtigen Gegenstand von seiner Lehrerin, der für den Plot wichtig ist. Wieso besitzt er diesen Gegenstand? Hat seine Lehrmeisterin ihm erzählt, wofür dieser gut ist? Weiß sie es vielleicht selber nicht genau?
  • In der Jugend des Charakters kam es zu einem Zwischenfall, der ihn nachhaltig beeinflusst hat. Wie sah dieser Zwischenfall aus? Was hat er mit den Abenteuern der Gruppe zu tun?

Das sind natürlich nur ein paar erste Ideen, im Gespräch mit der Person kommen dir oder vielleicht auch ihr bestimmt noch weitere. Auf diesen kannst du dann langsam aufbauen und eure Ideen im Plot auftauchen lassen. Wenn du also schon Ideen für wichtige NPCs, Ereignisse oder Gegenstände im Plot hast, schreibe eine davon vielleicht ein wenig um, damit der Charakter damit in Berührung kommen kann.

Zu viel Information

Am anderen Ende der Skala haben wir die Art von Spieler, die eindeutig zu viel schreibt. Statt ein paar Seiten Hintergrundgeschichte liefern solche Spielenden einen ganzen Roman ab, in dem nahezu jedes Detail aus dem Leben des Charakters minutiös beschrieben wird. Meiner Erfahrung nach gibt es von dieser Welle an Information zwei Arten:

Die erste Art beschreibt relativ wenige Szenen aus dem Leben des Charakters sehr genau. Das kann zum Beispiel heißen, dass „nur“ ein oder zwei wichtige Ereignisse im Leben des Charakters beschrieben werden, dafür aber in sämtlichen Details. Oder aber es geht um einen bestimmten Abschnitt im Leben des Charakters, der ihn nachhaltig geprägt hat. Dabei werden dann weniger konkrete Ereignisse als eher die Auswirkungen dieses Lebensabschnittes auf den Charakter beschrieben. In beiden Fällen hast du hier sehr viele Informationen zu einem vergleichsweise kleinen und klar definierten Zeitraum, was durchaus erschlagend wirken kann.

Das Angenehme an diesen Geschichten ist, dass du die ganzen Details nicht mitzunehmen brauchst. Wichtiger als konkrete Ereignisse ist hierbei das, was diese mit dem Charakter gemacht haben. Um ein Beispiel zu nennen: Warum genau ein Charakter Angst vor Wasser hat ist weniger wichtig als die Angst selber. Du kannst natürlich trotzdem auf Details dieser Hintergrundgeschichte Bezug nehmen, aber musst nicht alle von ihnen einbringen. Je nachdem, wie gut die spielende Person schreiben kann, erschließen sich die wichtigsten Details einfach daraus, dass du die Geschichte liest. Sollte das nicht der Fall sein: Frag ruhig nach. Oder nimm die Punkte, die dir selbst im Gedächtnis geblieben sind zur Hilfe, um die richtige Stimmung auf zu bauen.

Die zweite Art dagegen schreibt die gesamte Biographie ihres Charakters bis ins letzte Detail aus. Manche sind dabei ebenso detailliert wie der erste Typ, aber mit allen Ereignissen. Andere dagegen halten sich zwar nicht so sehr an Details auf, haben aber trotzdem jeden Lebensmonat ihres Charakters genau aufgeschrieben, Personen, mit denen dieser Charakter zu tun hatte, genau ausdefiniert und sich zahlreiche weitere Details überlegt, die relevant sein könnten.

Schreiben diese Leute wirklich so viel, dann kannst du natürlich jederzeit mit ihnen darüber sprechen und sie vielleicht bitten, die wichtigsten Details kurz zusammenzufassen. Alternativ kannst du dir auch einzelne Punkte heraussuchen, die du für besonders gut geeignet hältst, eine spannende Geschichte zu erzählen. Manche Ereignisse, so sehr sie den Charakter auch geprägt haben mögen, liegen einfach in dessen Vergangenheit und werden in der Zukunft keine Rolle mehr spielen. Andere dagegen, vielleicht sogar eher Unwichtige, können noch weitreichende Folgen haben. Auch hier solltest du nach Möglichkeit mit der Person sprechen, die den Charakter spielt. Vielleicht möchte sie ein bestimmtes Ereignis besonders gerne in der späteren Geschichte des Charakters auftauchen lassen.

DIe Balance finden

Ein Problem, das häufig auftritt, wenn die beiden vorhin genannten Spielenden in einer Gruppe spielen, ist folgendes: Die Zeit ihrer Charaktere im Fokus der Gruppengeschichte ist komplett unterschiedlich.

Ein Charakter, dessen Hintergrundgeschichte nur ein paar Sätze umfasst, bietet einfach nicht so viel Material wie einer, über den man nahezu alles weiß. Und als Spielleiter kannst du natürlich nicht einfach entscheiden, was ein kaum beschriebener Charakter weiß oder schon getan hat. Häufig führt das auch dazu, dass die Person, die viel geschrieben hat, ihrem Charakter gerne einmal Fähigkeiten oder Wissen andichtet, was dieser nicht besitzt, beispielsweise wegen einer sehr vielseitigen Vergangenheit.

Hier ist es deine Aufgabe als Spielleiter, zu kommunizieren und gegebenenfalls auch zu vermitteln. Eine Person, deren Charakter angeblich alles kann, weil es dafür einen Punkt in dessen Biographie gibt, muss auch einmal in ihre Schranken verwiesen werden. „Nein, das hat dein Charakter nicht“ klingt vielleicht dogmatisch, aber genau für so etwas haben die meisten Systeme Fähigkeitspunkte oder eine vergleichbare Mechanik. Diese geben an, was ein Charakter kann oder eben auch nicht kann und was in der Hintergrundgeschichte steht, kann diese Fähigkeiten zwar erklären oder begründen, nicht aber Punkte darin ersetzen. Sollte so etwas häufiger vorkommen oder die Person sich nicht einsichtig zeigen, solltest du dich mit ihr einmal unter vier Augen zusammensetzen und ihr Verhalten genauer besprechen, siehe dazu auch hier:

Eine Frage des Charakters – Problemspieler und wie du mit ihnen an deinem Tisch umgehen kannst

Diese Logik kannst du auch bei einem Charakter nutzen, der nur wenig Hintergrundgeschichte hat. Alle Charaktere haben, jedenfalls in den meisten Systemen, dieselben Startvoraussetzungen und auch mit den Fähigkeiten eines Charakters kann eine Geschichte erzählt werden. Eine Person mit vielen Kampffertigkeiten war vielleicht einmal in der Armee oder ein Söldner, jemand mit hohen Werten in Intelligenz und Wissensfertigkeiten vielleicht Akademiker oder Gelehrter. Ermutige eine Person mit wenig Hintergrundgeschichte vielleicht dazu, sich Gedanken darüber zu machen, wie ihr Charakter diese Fähigkeiten erworben hat und was dabei passiert sein könnte, das ihn geprägt hat.

Natürlich kann nichts gute Kommunikation ersetzen. Ich frage meine Spielenden am Ende jedes Spielabends, ob sie Spaß hatten und frage sie auch häufig, was ich besser machen kann. Wenn du die Befürchtung hast, Aufmerksamkeit ungleich zu verteilen, frage deine Spielenden also ruhig, ob sie finden, dass die momentane Verteilung von Plot und Aufmerksamkeit pro Charakter so angemessen ist. Gerade neue Spielenden wollen am Anfang oft eher weniger von beidem, um sich in einem neuen System oder sogar einem ganz neuen Hobby zurecht zu finden, aber auch da gibt es natürlich Ausnahmen. Und mit zunehmender Erfahrung wächst vielleicht auch der Wunsch, den eigenen Charakter mehr in die Geschichte einzubringen. Regelmäßige Rücksprache kann dir sehr dabei helfen, den Spielspaß nicht aus den Augen zu verlieren.

Wie erzähle ich das?

Am einfachsten bringst du die Geschichten der Charaktere natürlich ein, wenn du deinen Plot selber schreibst. Wichtige Personen aus dem Leben der Charaktere können mehr sein, als zuerst angenommen – oder bereits fest etablierte Personen in eurer Spielwelt. Familie oder Freunde können in den richtigen Momenten in Gefahr geraten oder zur Hilfe eilen, in Form von Unterstützung oder mit wichtigen Hinweisen. Und natürlich geht mit einer Hintergrundgeschichte auch oft eine Motivation einher, die den Charakter überhaupt erst zum Rest der Gruppe geführt hat. Auch diese Motivation lässt sich immer wieder aufgreifen und eventuell sogar irgendwann einmal auflösen – woraufhin der Charakter entweder eine Neue findet und daran wächst oder seine Geschichte eben ihr Ende findet.

Wenn du aber entweder nicht die Zeit hast, eine eigene Geschichte zu schreiben oder es dir noch nicht zutraust, dann leitest du vermutlich vorgefertigte Module oder Abenteuer. Auch hier kannst du die Geschichten deiner Spielenden einbringen. Viele Abenteuer liefern dafür Vorschläge oder Ideen, meistens im Vorwort oder auf den ersten paar Seiten. Alternativ kannst du hier ein paar Ideen abwandeln und zum Beispiel einen wichtigen NPC zu einem Verwandten eines Spielercharakters machen oder einen Plotpunkt in dessen Hintergrund einbringen. Das lässt sich sogar nachträglich machen, wenn ein bestimmter Plotpunkt oder NPC noch nicht vorgekommen ist und jemand noch etwas nachreicht oder im Nachhinein gerne mehr bespielt haben möchte.

Zum Schluss

Hintergrundgeschichten geben den Charakteren deiner Spielenden mehr Tiefe. Und wenn du auf sie eingehst, dann machst du damit auch deine eigene Hintergrundwelt lebendiger. Siehe auch hier:

Lies dir die Hintergrundgeschichten deiner Spielenden durch, frage gegebenenfalls nach oder brainstorme ein wenig mit ihnen, um eure Abenteuer lebendiger werden zu lassen. Und, was am wichtigsten ist: Hab Spaß dabei.